Briefe ĂŒber den Yoga, Band 1: Integraler Yoga und andere Wege

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Die Briefe an seine SchĂŒler im Ashram reflektieren die Entwicklung des Integralen Yoga in der Zeit nach 1926 bis 1950.
432 Seiten, Deutsch

Inhalt:

  1. Die Supramentale Evolution
  2. Integraler Yoga und andere Wege
    1. Shankara und Mayavada
    2. Buddhismus
    3. Die Gita
    4. Tantrismus und Okkultismus
    5. Vishnuismus (Vaishnavismus)
    6. Integraler Yoga
  3. Religion, Moral, Idealismus und Yoga
  4. Vernunft, Wissenschaft, Yoga
  5. Die Ebenen und Teile des Wesens
    1. Bewußtsein
    2. Sachchidananda
    3. Supramental ­ Obermental
    4. Jivatman (Zentrales Wesen)
    5. Die Seele und das seelische Wesen
    6. Das innere Wesen und das wahre Wesen
    7. Das umhĂŒllende Bewußtsein
    8. Das Kosmische Bewußtsein
    9. Das Mental
    10. Das vitale Wesen
    11. Das Physische Bewußtsein. Das Physische Mental
    12. Das Unterbewußte. Das Unbewußte
    13. Die Zentren

Auszug aus “Die Ebenen und Teile des Wesens”, Kapitel 5
Die Seele und das seelische Wesen
Die Seele kann nicht als derjenige Teil bezeichnet werden, der sich in direkter BerĂŒhrung mit der supramentalen Ebene befindet -, doch ist einmal die Verbindung mit dem Supramental hergestellt, dann ist sie es, die am unmittelbarsten darauf reagiert. Unser seelischer Wesensteil stammt direkt vom Göttlichen und steht in Kontakt mit dem Göttlichen. Seinem Ursprung nach ist er ein Zentrum voller göttlicher Möglichkeiten, das diese niedere dreifache Manifestation von Mental, Leben und Körper trĂ€gt. Es gibt dieses göttliche Element in allen lebenden Wesen, doch ist es hinter dem gewöhnlichen Bewußtsein verborgen, ist zunĂ€chst nicht entwickelt, und selbst wenn es entwickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck, wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wĂ€chst an Bewußtsein durch die auf Gott gerichtete Erfahrung und gewinnt jedesmal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die AnhĂ€ufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seelische IndividualitĂ€t entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen. Das seelische Wesen ist immer die wahre, doch oft verborgene Ursache dafĂŒr, daß sich ein Mensch dem spirituellen Leben zuwendet, und ist fĂŒr diesen Schritt seine grĂ¶ĂŸte Hilfe. Aus diesem Grund mĂŒssen wir es im Yoga aus dem Hintergrund hervortreten lassen.
Das Wort “Seele” und “seelisch” wird in der englischen Sprache sehr unbestimmt und mit ganz unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Sehr hĂ€ufig wird in der gewöhnlichen Umgangssprache kein deutlicher Unterschied zwischen Mental und Seele gemacht, und ein noch ernster zu nehmendes Durcheinander entsteht dadurch, daß mit dem Wort “Seele” das vitale Begierdenwesen – die falsche Seele oder Begierdenseele ­ bezeichnet wird und nicht die wahre Seele, das seelische Wesen. Das seelische Wesen ist vom Mental oder Vital völlig verschieden; es steht hinter ihnen, dort wo diese sich im Herzen treffen. Dies ist sein zentraler Ort, doch eher hinter dem Herzen als im Herzen; denn was die Menschen gewöhnlich das Herz nennen, ist der Sitz des GefĂŒhls, und menschliche GefĂŒhle sind mental-vitale Impulse und im allgemeinen nicht von seelischer Natur. Diese meist verborgene Macht im Hintergrund ist von Mental und Lebenskraft verschieden, sie ist die wahre Seele, das seelische Wesen in uns. Die Macht der Seele besteht darin, auf Mental, Vital und Körper einzuwirken, sie vermag das Denken, die Wahrnehmung, das GefĂŒhl (welches dann ein seelisches GefĂŒhl wird) sowie die Empfindung und Tat und alles ĂŒbrige in uns zu lĂ€utern und sie auf diese Weise darauf vorbereiten, zu göttlichen Regungen zu werden.
Das seelische Wesen wĂŒrde in der indischen Sprache als der Purusha im Herzen bezeichnet werden, als Chaitya Purusha; doch mit Herz ist das innere oder geheime Herz gemeint, hrdaye guhayam, und nicht das Ă€ußere, vital-emotionale Zentrum. In dem Abschnitt im “Arya”, auf den du dich beziehst, ist die Rede von der wahren seelischen Wesenheit, der Seele (die sich vom vitalen Begierden-Mental unterscheidet).

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Vom seelischen Wesen wurde in den alten (philosophischen) Systemen als dem Purusha im Herzen gesprochen (dem geheimen Herzen – hrdaye guhayam), was voll mit dem ĂŒbereinstimmt, was wir als das seelische Wesen hinter dem Herz-Zentrum bezeichnen. Es verlĂ€ĂŸt den Körper beim Tod und besteht fort – dies stimmt wiederum mit unserer Auffassung ĂŒberein, daß es das seelische Wesen ist, das hinausgeht und zurĂŒckkehrt und ein neues mit einem frĂŒheren Leben verbindet. Wir sagen, daß die Seele der göttliche Teil in uns ist – und auch dort wird der Purusha im Herzen als der Ishvara der individuellen Natur beschrieben.
Das Wort “Seele” wird im Englischen auf sehr unbestimmte Art gebraucht – hĂ€ufig bezieht es sich auf das ganze nichtphysische Bewußtsein und schließt sogar das Vital mit all seinen Begierden und Leidenschaften ein. Daher mußte der Ausdruck “seelisches Wesen” geprĂ€gt werden, um diesen göttlichen Teil von den instrumentalen Teilen der menschlichen Natur zu unterscheiden.

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X vermutet anscheinend, daß ich mit seelischem Wesen das erleuchtete Ego meine. Die Menschen verstehen deshalb nicht, was ich mit dem Ausdruck “seelisches Wesen” meine, da das Wort “Seele” im Englischen fĂŒr alles gebraucht wird, was sich auf das innere Mental, das innere Vital oder das innere Physische bezieht oder auch auf alles Anormale oder Okkulte, sogar auf die feineren Regungen des Ă€ußeren Wesens – alles in kunterbuntem Durcheinander; selbst okkulte PhĂ€nomene werden hĂ€ufig als psychisch bezeichnet. Eine Unterscheidung dieser verschiedenen Teile des Wesens ist unbekannt. Selbst in Indien ist das alte Wissen der Upanishaden, das diese Unterscheidung kannte, verlorengegangen. Der Jivatman, das seelische Wesen (Purusha Antaratman), der Manomaya Purusha, der Pranamaya Purusha – alles wird in einen Topf geworfen.

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Ich weiß nicht, was mit diesem Ausdruck genau gemeint sein soll – er ist fĂŒr eine Beschreibung der Seele zu unbestimmt und begrenzt. Antahkarana bedeutet meist Mental und Vital, im Gegensatz zum Körper, da der Körper das Ă€ußere Instrument und manah prana das innere Instrument der Seele ist. Mit Seele meine ich etwas, das sich von einem gelĂ€uterten Mental und Vital unterscheidet. Ein gelĂ€utertes Mental, ein gelĂ€utertes Vital gehen aus dem Wirken eines erwachten und befreiten seelischen Wesens hervor, sie sind jedoch nicht die Seele selbst.
Nochmals, es hĂ€ngt davon ab, was mit ahambhava, dem “Ich”-Zustand gemeint ist. Doch die Seele ist kein Seinszustand, bhava. Sie ist ein Purusha. Ahambhava ist ein Gebilde der Prakriti, es ist kein Wesen oder Purusha. Ahambhava kann sich auflösen, der Purusha aber bleibt.
Unter einem befreiten seelischen Wesen verstehe ich, daß dieses nicht lĂ€nger gezwungen ist, sich unter den Bedingungen seiner dunklen und unwissenden Instrumente auszudrĂŒcken wie hinter einem Schleier-, sondern daß es hervorzutreten vermag, um das Wirken von Mental, Leben und Körper zu kontrollieren und zu verĂ€ndern.
Manchmal spricht man von einem gelĂ€uterten und vollkommenen seelischen Wesen; damit ist vermutlich das seelische Wirken im Mental, Vital und in den physischen Instrumenten gemeint. Ein gelĂ€utertes inneres Wesen ist nicht gleichbedeutend mit einer gelĂ€uterten Seele, sondern es ist ein gelĂ€utertes inneres Mental, Vital, ein gelĂ€uterter Körper. Die AusdrĂŒcke, die ich fĂŒr die Seele benutzte, waren “erwacht” und “befreit”.
“Spirituelle IndividualitĂ€t” ist eine ziemlich unbestimmte Formulierung und kann auf veschiedene Weise gedeutet werden. Über das seelische Wesen schrieb ich, daß die Seele ein Funke Göttlichen Feuers sei, der die individuelle Evolution auf Erden stĂŒtze; das seelische Wesen ist das sich entfaltende Seelen-Bewußtsein oder besser noch seine Manifestation von einem Leben zum anderen, mit Mental, Vital und Körper als seinen Instrumenten, bis sie alle fĂŒr die Einung mit dem Göttlichen bereit sind. Ich glaube nicht, daß ich dem noch etwas hinzufĂŒgen kann.

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Der Purusha in der Prakriti wird der Kshara Purusha genannt – wenn er sich von ihr loslöst, ist es der Akshara Purusha.
Ego-Sinn und Purusha sind zwei ganz verschiedene Dinge ­ der Ego-Sinn ist ein Mechanismus der Prakriti, der Purusha dagegen ist das bewußte Wesen.
Das seelische Wesen entfaltet sich, es ist daher nicht unverÀnderlich.
Das seelische Wesen ist hauptsÀchlich die Seele der IndividualitÀt, die in der Manifestation die individuelle Prakriti entfaltet und an der Evolution teilnimmt. Es ist jener Funke Göttlichen Feuers, der hinter Mental, Vital und dem Physischen als seelisches Wesen wÀchst, bis es fÀhig ist, die Prakriti der Unwissenheit in eine Prakriti des Wissens umzuwandeln. Diese Dinge findest du nicht in der Gita, doch kann ich mein Wissen nicht auf das in der Gita Dargelegte beschrÀnken.

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Nein, das intuitive Selbst oder, besser gesagt, das intuitive Bewußtsein, das sich irgendwo oberhalb des Mentals befindet, ist etwas ganz anderes. Die Seele steht hinter dem Wesen. Ihre deutlichsten Merkmale sind eine einfache und aufrichtige Hingabe an das Göttliche, das unmittelbare und augenblickliche GefĂŒhl dessen, was recht ist, was zur Wahrheit und zum Göttlichen fĂŒhrt, und das instinktive ZurĂŒckweichen vor allem Gegenteiligen.

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Zwischen der Seele in ihrer Essenz und dem seelischen Wesen muß unterschieden werden. Hinter allem und jedem steht die Seele, der Funke des Göttlichen ­ keiner könnte ohne sie bestehen. Es ist jedoch durchaus möglich, ein vitales und physisches Wesen zu besitzen, die durch eine derartige Seelen-Essenz aufrechterhalten werden, doch ohne ein deutlich entwickeltes seelisches Wesen dahinter.
Ganz richtig, es gibt ein inneres Wesen, das aus dem inneren Mental, dem inneren Vital, dem inneren Physischen besteht ­ doch ist dies nicht das seelische Wesen. Die Seele ist das innerste Wesen von allen und von jenen ganz verschieden. Im Englischen wird das Wort Seele tatsĂ€chlich fĂŒr alles angewendet, das etwas anderes oder Tieferes ist als das Ă€ußere Mental und Leben und der Ă€ußere Körper oder auf etwas Okkultes oder Überphysisches hinweist; doch diese Anwendung bringt Verwirrung und Fehler mit sich, und wir mĂŒssen sie nahezu gĂ€nzlich fallenlassen.
Das seelische Wesen ist durch OberflĂ€chenregungen verhĂŒllt und drĂŒckt sich, so gut es dies vermag, durch seine drei Ă€ußeren Instrumente aus, die aber eher durch von außen wirkende KrĂ€fte als durch das innere Wesen oder die seelische Wesenheit gelenkt werden. Doch dies bedeutet nicht, daß sie von der Seele völlig abgeschnitten sind. Die Seele befindet sich ebenso im Körper wie das Mental oder Vital ­ doch ist der Körper nicht nur dieser grobstoffliche Leib, sondern auch der feinstoffliche. Wenn der grobstoffliche Körper abfĂ€llt, dann bleiben die vitalen und mentalen HĂŒllen des Körpers als GefĂ€ĂŸ der Seele ĂŒbrig, bis auch diese sich auflösen.
Die Seele einer Pflanze oder eines Tieres schlummert nicht ­ ihre Ausdrucksmittel sind lediglich weniger entwickelt als die eines menschlichen Wesens. Es gibt viel Seelisches in der Pflanze, viel Seelisches im Tier. Die Pflanze hat nur die vital-physischen Elemente in ihrer Form entfaltet; das Bewußtsein hinter dieser Form der Pflanze besitzt keine entwickelte oder geordnete MentalitĂ€t, die fĂ€hig wĂ€re, sich auszudrĂŒcken; das Tier hingegen geht einen Schritt weiter; es hat ein vitales Mental und ein gewisses Maß des Selbstausdrucks, doch sein Bewußtsein ist begrenzt, seine MentalitĂ€t ist begrenzt, seine Erfahrungen sind begrenzt; auch bringt die seelische Essenz, um sich auszudrĂŒcken, ein weniger entwickeltes Bewußtsein und eine weniger entwickelte Erfahrung hervor als diejenige, welche im Menschen möglich ist. Und dennoch haben Tiere eine Seele und können bereitwillig auf die Seele im Menschen ansprechen.
Der “Geist” [ghost] eines Menschen ist natĂŒrlich nicht seine Seele. Er ist entweder der Mensch, der in seinem vitalen Körper erscheint, oder er ist ein Fragment der vitalen Struktur des Menschen, das von einer Kraft oder Wesenheit der vitalen Weit fĂŒr ihre eigenen Zwecke benĂŒtzt wird. Normalerweise besteht das vitale Wesen mit seiner PersonalitĂ€t nach der Auflösung des physischen Körpers nur eine Zeitlang fort; anschließend geht es in die vitale Ebene ein, wo es solange bleibt, bis sich seine vitale HĂŒlle auflöst. Hierauf begibt sich die Seele in der mentalen HĂŒlle zu einer mentalen Welt; schließlich aber verlĂ€ĂŸt die Seele auch ihre mentale HĂŒlle und begibt sich zu ihrem Ort der Ruhe. Wenn das Mental stark entwickelt ist, vermag das mentale Wesen [bei der Seele] zu bleiben, ebenso ein stark entwickeltes Vital, vorausgesetzt sie sind von dem wahren seelischen Wesen geformt und um es zentriert ­ sie teilen dann die Unsterblichkeit der Seele. Doch fĂŒr gewöhnlich geschieht dies nicht; es findet eine Auflösung sowohl des Mentals und Vitals als auch der physischen Teile statt, und die Seele, wenn sie wiedergeboren wird, nimmt ein neues Mental, ein neues Leben (Vital) und einen neuen Körper an und nicht, wie oft vermutet wird, die Nachbildung ihrer alten Natur. Eine derartige Wiederholung wĂ€re ohne Sinn und Nutzen und wĂŒrde den Zweck der Wiedergeburt verfehlen; denn dieser besteht in einer Weiterentwicklung der menschlichen Natur durch Erfahrung und aus einem evolutionĂ€ren Wachsen der Seele in dieser Natur ihrem Selbstfinden entgegen. Die Seele aber bewahrt den essentiellen Eindruck ihrer vergangenen Leben und Persönlichkeiten, und ihre neue Geburt und Persönlichkeit stellen einen Ausgleich zwischen dieser Vergangenheit dar und dem, dessen die Seele in der Zukunft bedarf.

P.S. Es gibt FĂ€lle einer raschen Wiedergeburt des Ă€ußeren Wesens, das seine alte Persönlichkeit fortsetzt und sogar die Erinnerung an das vergangene Leben bewahrt, doch ist dies eine Ausnahme und geschieht meist, wenn durch vorzeitigen Tod eine Frustration stattgefunden hat und im Vital der starke Wille vorherrscht, seine nicht beendete Erfahrung fortzusetzen.

Weight 0,78 kg
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